Cybermobbing: Das Wegfallen der sicheren Orte
Mobbing ist eines der größten Probleme in der Schule. Es beschreibt nicht kurzzeitige Konflikte, weil ein Mitschüler den Stift weggenommen hat, sondern bezeichnet per Definition die regelmäßige schikanöse Handlung von einer oder mehreren Personen gegen einen kräftemäßig unterlegenden Betroffenen über einen längeren Zeitraum. Ziel dieses Verhaltens in der Schule ist die Manifestation der Täter-Opfer-Beziehung und der Ausschluss des Betroffenen aus dem Werterahmen der Gruppe. Betroffene fühlen sich dann häufig so unwohl, dass sie der Schule regelmäßig fernbleiben oder sich häufig krank stellen.
Beim Cybermobbing – oder Cyber-Bullying – fallen noch dazu die sicheren Rückzugsorte weg. Mobbing kann plötzlich überall und zu jeder Tageszeit stattfinden, weil über Kommunikationsmedien agiert wird. Beleidigungen und Schikane verfolgen Betroffene auch außerhalb der Schule und Täter haben die Möglichkeit vermeintlich anonym zu handeln, sodass der Täterkreis in der Regel viel größer wird und mehr Menschen von dem Mobbing in Kenntnis geraten. Die ständige Erreichbarkeit, die digitale Medien uns ermöglicht, wird plötzlich zum größten Problem.
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Anlässlich des Safer Internet Days 2009 hat die EU diesen Spot zum Thema Cybermobbing veröffentlicht.
Wen betrifft Cybermobbing?
Die JiM-Studie des Medienpädagogischen Furschungsverbunds Südwest (mpfs) hat Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren die Frage gestellt, ob sie schon einmal Cybermobbing in ihrem Bekanntenkreis erlebt hätten, worauf 31% der Schülerinnen und Schüler mit JA antworteten. Selbst betroffen waren der Studie zufolge 8% der Jugendlichen – die Dunkelziffer dürfte jedoch höher sein.
Cybermobbing kann jeden betreffen, da eine Täter-Opfer-Beziehung nicht mehr zwangsläufig an körperliche Stärke gebunden ist. Bilder und Videos können manipuliert werden, es können aber auch unangenehme Fotos und Videos aufgenommen oder weiterverschickt werden. Eine Umfrage von saferinternet.at ergab, dass 16% der Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren schon einmal Nacktaufnahmen von sich gemacht haben. Wer eine solche Aufnahme von sich macht, verbreitet sie oftmals auch und bietet so das Material für potenzielles Cybermobbing.
Quelle: JiM-Studie 2019, mpfs.
Woran erkennt man Betroffene?
Jugendliche neigen insbesondere in der Pubertät dazu, sich von ihren Eltern und Erwachsenen abgrenzen zu wollen. Sie wollen ihre Selbstständigkeit symbolisieren und verhalten sich dann häufig anders. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie zwangsläufig von Mobbing betroffen sind.
Betroffene von (Cyber-)Mobbing:
- zeigen fehlendes Selbstvertrauen und sind häufig niedergeschlagen.
- wirken verschlossen und ziehen sich zurück.
- schließen soziale Netzwerke sofort, wenn jemand hinsehen könnte, und sind grundsätzlich seltener auf diesen unterwegs.
- leiden unter Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, und Kopfschmerzen.
- sind oft unkonzentriert und weniger fröhlich.
- weichen Gesprächen über ihr Verhalten aus.
- zeigen längerfristig deutlich schwächere schulische Leistungen.
- sind leichter gereizt und reagieren häufiger aggressiv.
- haben beim “klassischen” Mobbing häufig Verletzungen oder fehlendes oder beschädigtes Material.
Was sollten Betroffene tun?
Cybermobbing wird nicht direkt bestraft, kann aber strafbare Aspekte beinhalten. Um seine Rechte durchsetzen und sich gegen das Cybermobbing zur Wehr setzen zu können, empfiehlt es sich, die Handlungen des Cybermobbings zu dokumentieren.
Folgende Handlungen sind strafrechtlich relevant:
§22 des Kunsturhebergesetzes: Das Recht am eigenen Bild
Jeder Mensch darf selbst bestimmen, ob er erlaubt, dass Bilder von ihm verbreitet oder veröffentlicht werden.
§185 des Strafgesetzbuches: Beleidigung
Beleidigungen werden mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft. Beleidigungen, die mittels einer Tätlichkeit begangen werden, können mit Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren geahndet werden.
§186 des Strafgesetzbuches: Üble Nachrede
Wer über eine andere Person wissentlich Informationen verbreitet, um dieser Person zu schaden, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. Die öffentliche Verbreitung von Unwahrheiten – etwa durch Schrifterzeugnisse – wird mit bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe geahndet.
§187 des Strafgesetzbuches: Verleumdung
Wer über eine andere Person wissentlich die Unwahrheit verbreitet, um dieser Person zu schaden, macht sich wegen Verleumdung strafbar. Verleumdung wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet. Die öffentliche Verleumdung, etwa durch Veröffentlichung von Schriften, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
§201 des Strafgesetzbuches: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes
Das unerlaubte Aufnehmen und Verbreiten von Tonaufnahmen einer Person wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft.
§201a des Strafgesetzbuches: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen
Das unerlaubte Aufnehmen und Verbreiten von Bildaufnahmen (Fotos und Videos) von einer Person ist strafbar und wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet. Auch das Anbieten von Nacktaufnahmen von Personen unter 18 Jahren wird hierunter bestraft. Im Rahmen des Strafverfahrens können beteiligte Geräte eingezogen werden.
§238 des Strafgesetzbuches: Nachstellung
Wer einer anderen Person nachstellt, etwa indem er beharrlich unter Verwendung digitaler Kommunikationsmedien den Kontakt zu ihr herzustellen versucht, oder ihm mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst oder einer ihr nahestehenden Person droht, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.
§240 des Strafgesetzbuches: Nötigung
Wer einem Menschen mit Gewalt droht, um eine Handlung, Duldung oder Unterlassung zu erzielen, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
§241 des Strafgesetzbuches: Bedrohung
Mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird bestraft, wer einer Person Gewalt oder Gewalt an einer ihr nahestehenden Person androht.
Was können Eltern und Pädagogen unternehmen?
Indem präventiv eine Informationsbasis geschaffen wird, können Eltern und Pädagogen den Reiz der Kinder an Medien nachvollziehen und sie über Gefahren und Probleme informieren. Es ist wichtig, den Kindern und Jugendlichen Respekt zu vermitteln und klare Regeln für das Miteinander und den Umgang mit Medien zu definieren. Das Aufbauen einer Unterstützungsstruktur hilft Betroffenen, sich jemandem anzuvertrauen, weil klar ist, dass eine Ansprechperson präsent ist. Probleme und Sorgen der Kinder und Jugendlichen müssen ernst genommen werden. Die gemeinsame Suche nach Lösungen gibt den Betroffenen das Gefühl, nicht allein zu sein. Wichtig ist, die Schikane beispielsweise durch Screenshots zu dokumentieren und dabei das eigene Profilbild oder Hinweise zur eigenen Person zu schwärzen, um einer möglichen Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Neben Eltern und Lehrkräften gibt es noch weitere Ansprechpartner, etwa in der Jugendhilfe, bei der Polizei oder bei öffentlichen Stellen, die Mobbingprävention anbieten. Auch soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter bieten über die “Melden”-Funktion erste Hilfe an.
Welche Anlaufstellen gibt es für Betroffene?
Wie können Lehrkräfte und Pädagogen reagieren?
- Biete Betroffenen einen sicheren Ort und eine gute Beziehung an. Bestärke Betroffene darin, dass es eine gute Entscheidung war, sich anzuvertrauen.
- Prüfe Fremd- und Selbstgefährdung. Sichere die seelische und körperliche Unversehrtheit von Betroffenen und schreite umgehend ein, wenn diese gefährdet sind. Bei massiven Gefährdungen schalte umgehend die Polizei ein.
- Setze Schüler als Peer-Berater ein. Oftmals fällt es Betroffenen leichter, sich mit Gleichaltrigen zu unterhalten.
- Hilf bei der Dokumentation des Sachverhalts mit. Nimm die Schilderungen des Betroffenen ernst.
- Prüfe, ob andere Lehrkräfte, Eltern oder die Schulleitung/Vorgesetzten informiert werden müssen.
Grundsätzlich gilt, dass jede Form von Mobbing Betroffene auch lange Zeit danach noch schädigen kann. Es darf daher nicht toleriert werden und muss schnellstmöglich beendet werden.
Titelbild: saferinternetat / pixabay.com
Weiterführende Hinweise:
Dieser Beitrag stammt von
Kevin ist ein junger Lehrer für Geographie und Deutsch an Gymnasien und verwendet digitale Medien sehr gern in seinem Unterricht. Seine Examensarbeit schrieb er über sprachbildenden Fachunterricht.
Schreiben
Kevin schreibt seit August 2012 auf seinem eigenen Blog und veröffentlicht wöchentlich neue Artikel zu unterschiedlichen Themen. Seine Bachelorarbeit schrieb Kevin über den Einsatz des Smartphones im Geographieunterricht, seine Masterarbeit über Sprachbildung im Geographieunterricht.
Unterrichten
Der Autor hat die Fächer Geographie und Deutsch für Gymnasien studiert und arbeitet als Vertretungslehrer an einer weiterführenden Schule. Zudem ist er als Nachhilfelehrer in der Online-Nachhilfe tätig.
Über den Autor