Ich wollte doch immer Lehrer werden, oder?

Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke, fallen mir zahlreiche Erinnerungen wieder vor die Füße. Immer schon erfreute ich mich an der Tatsache, dass ich 2001 in die 1. Klasse, 2005 in die 5. Klasse (usw.) kam. Früher wollte ich Busfahrer werden – das weiß ich noch. Wenn wir mit dem Auto zu meiner Oma gefahren sind, habe ich unterwegs alle Bushaltestellen angesagt und mit dem Schwamm im Auto “mitgelenkt”. Ich wollte auch mal Lokführer werden. Das zumindest schrieb ich meiner Klassenlehrerin in der Grundschule in ein Büchlein, das wir ihr schenkten, als wir auf die weiterführende Schule wechselten. Am Gymnasium träumte ich zunächst davon, Polizist zu werden, spielte mit meinen Freunden K11 auf dem Spielplatz nach. Und seit ich die 7. Klasse besuchte, wuchs in mir der Traum, Lehrer zu werden.

Die Entscheidung, auch nach meiner Schulzeit noch die Schule besuchen zu wollen, verdanke ich auch meinen Lehrkräften. Sie machten entweder alles richtig oder aber so furchtbar falsch, dass ich mir vornahm, das besser machen zu wollen. Unter diesem Traum litten dann meine Schwester, die mit mir auch zuhause “Schule” spielen musste, und mein Echtholz-Kleiderschrank, der mir als Tafel diente. Das ist nun fast 15 Jahre her.

Der Weg ist das Ziel

Von der 7. Klasse bis zum “ersten Schultag” als Lehrer war es jedoch noch weit. Viel Zeit für Veränderungen. Was sich seither nicht mehr geändert hat, ist der Traum, Lehrer zu werden. Was sich aber bis zum Studium noch ein paar Mal änderte, sind die Fächer, die ich unterrichten wollte. Von Deutsch und Musik über Deutsch und Biologie bis zu Geographie und Biologie. Mit dem Abi stand für mich fest: Diese beiden Fächer sollen’s sein. Ich bewarb mich an zahlreichen Hochschulen in ganz Deutschland: Berlin, München, Osnabrück, Bremen, … Schließlich wollte ich mich auch an der Universität in meiner Heimatstadt Kiel bewerben. Leider stolperte ich dabei fälschlicherweise über den NC für den Ein-Fach-Bachelor in Biologie – mit diesem Schnitt hätte ich keine Chance gehabt, sodass ich mich in Kiel schließlich für Deutsch und Geographie bewarb.

Es trudelten zahlreiche Zusagen ein, doch weil auch Freunde in Kiel blieben, entschied ich mich ebenfalls dagegen, die Heimat zu verlassen. Nach einem halben Jahr wollte ich das Fach wechseln – letztendlich tat ich es nicht. Und so studierte ich, absolvierte einige Praktika und arbeitete neben dem Studium als Vertretungslehrer an einer Gemeinschaftsschule, um im April 2020 meine Masterurkunde in den Händen zu halten – gerade als Corona die Schulen in die Knie zwang.

Warum ich Lehrer werden wollte...

Meine Lehrer sagten immer, die Bezahlung sei gar nicht so gut, kauften sich dann aber ein neues Auto oder ein Haus. Ob man die Bezahlung nun als “gut” bezeichnen möchte, ist sicherlich auch abhängig von den eigenen Ansprüchen und Lebensstandards, sie war bei mir aber kein Grund dafür, Lehrer werden zu wollen.

Aber die vielen Ferien, die werden doch wohl ein Grund gewesen sein? Zählt man die Ferientage einmal zusammen, so kommt man (in Schleswig-Holstein) auf sechs Wochen Sommerferien, zwei Wochen Herbstferien, zwei Wochen Weihnachtsferien und zwei Wochen Osterferien. Doch dank Vor- und Nachbereitungen, Korrekturen und anderen Verpflichtungen sind dies nicht 12 Wochen Urlaub. Der bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) rechnete aus, dass Lehrkräfte unterm Strich auch nur 6 Wochen tatsächlich frei hätten – das entspricht der Länge der Sommerferien. Die Ferien waren kein Grund für meine Jobwahl.

“Als Lehrer hast du doch vormittags Recht und nachmittags frei”, höre ich auch gern, wenn ich erzähle, was ich beruflich mache. Eine Studie der Universität Göttingen untersuchte die Arbeitszeit von Lehrkräften und fand heraus, dass die Unterrichtszeit am Vormittag nur etwa 50% der tatsächlichen Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern ausmache. Die durchschnittliche Arbeitszeit pro Woche betrage bei Lehrerinnen und Lehrern in der Unterrichtszeit demnach 46 Stunden und 38 Minuten.

Grundschulen
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Gemeinschaftsschulen
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Gymnasien
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An welchen Schulen wird überdurchschnittlich viel gearbeitet?

Dabei beträgt die Zahl der Pflichtstunden bei einer Vollzeitstelle je nach Bundesland und Schulart nur 22 bis 28 Stunden. Rund die Hälfte der Arbeitszeit wird also auch zu Hause am Schreibtisch geleistet: Unterricht muss vorbereitet, Klausuren korrigiert werden. Kein Wunder also, dass 76% der Gymnasiallehrkräfte angaben, an mindestens 80% der Wochenenden zu arbeiten – auch bei den Grundschullehrkräften sind es 65,3% – nein, auch das war kein Grund.

Aber warum wollte ich denn dann Lehrer werden? Ich liebe das kreative Arbeiten, das Abwechslungsreiche, die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen. Ich dachte, der Lehrerberuf hätte ein gewisses Ansehen, einen gewissen Wert in der Gesellschaft. Weil wir die nächsten Generationen heranziehen und ausbilden.

Hach, war ich naiv.

Die Pandemie hat gezeigt, welchen Wert Lehrkräfte in der Gesellschaft haben. Kolleginnen und Kollegen sprechen davon, “verheizt” zu werden. Sie fühlen sich im Stich gelassen. Sie sprechen von der “Seuchenhölle”, dem “Pandemiewahnsinn” und der “Durchseuchung der Kinder”. Vor allem sind sie aber enttäuscht von denen, die dafür verantwortlich sind: Kultusminister*innen. Sie haben sich dafür entschieden, Kinder und Jugendliche in die Schulen zu schicken, während sie es versäumt haben, diese sicherer zu machen. Schulen seien sicher, haben sie gesagt. Als die Wissenschaft dies widerlegte, waren sie noch “relativ sicher” und waren immerhin so ehrlich zu sagen, dass die Schulen offen bleiben müssten, damit die Eltern weiter arbeiten gehen können. Es geht ihnen wohl nicht um das, wofür sie verantwortlich sind – nämlich Bildung -, sondern nur um die Betreuung der Kinder. Es geht ihnen nicht mehr um das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen oder den Lehrkräften. Die sind ihnen egal. Und das fühlt sich mies an.

Viele Kolleginnen, Kollegen und ich gehen nur noch mit Angst in die Schule. Alles, was getan wird, um uns und unsere Schülerinnen und Schüler zu schützen, sind drei Tests pro Woche und das regelmäßige Lüften. Kein Abstand, keine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken, keine Luftfilter, keine gelockerte Präsenzpflicht, keine inzidenzabhängige Regelung zum Wechselunterricht. Die S3-Leitlinie des Robert-Koch-Instituts wird nicht umgesetzt, obwohl es einfach, kostengünstig und sinnvoll wäre. Da bleibt doch nur noch der Schluss, dass die Kultusministerien ihrer Fürsorgepflicht nicht nachkommen.

»Die Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers umfasst sämtliche Vorkehrungen zum Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer/-innen«
Fürsorgepflicht
ergibt sich etwa aus §§617-619 BGB

Ich wollte doch eigentlich immer Lehrer werden. Doch nun, wo ich diesen Traum erreicht habe, bin ich mir gar nicht mehr so sicher. Weil wir Selbsttests nutzen, die ebenso verlässlich Infektionen anzeigen, wie das Werfen einer Münze. Weil wir kritisiert und angegriffen werden, ohne dass man sich ausreichend informiert. Weil wir nicht geschützt werden. Weil wir nicht mehr so arbeiten können, wie wir es gern wollten. Weil unser Schulsystem von eurer Politik kaputt gemacht wurde.